Die Europawahl findet dieses Jahr in Deutschland am Sonntag, den 9. Juni 2024, statt. Das Recht zu wählen ist ein kostbares Gut. Denn: Ohne Wahlen keine Demokratie! In Wahlen wird die Rolle der Staatsbürger*innen als Inhabende der Staatsgewalt am deutlichsten sichtbar. Heute tauschen wir uns in einem fiktiven Gespräch mit unserem Gast, der Demokratie höchstpersönlich, darüber aus, welche Rolle das Wahlrecht für sie spielt und auch welche Rolle diese für mehr Nachhaltigkeit bedeutet.
Stelle dich einmal kurz unseren Lesern vor. Warum gibt es dich?
Ich bin die Demokratie, abstammend von dem altgriechischen Wort dēmokratía für “Volksherrschaft”. Meine Ursprünge habe ich im antiken Griechenland, insbesondere in Athen, im 5. Jahrhundert v. Chr., wobei damals nur männliche, freie Bürger der Stadt wählen durften. Meine moderne Erscheinungsform der repräsentativen Demokratie, wie sie heute bekannt ist, entwickelte sich hauptsächlich ab dem 18. Jahrhundert und wurde seitdem weiter ausgebaut. Ich bin eine Regierungsform, in der die Macht vom Volk ausgeht und durch freie und faire Wahlen ausgeübt wird. Bürger*innen haben das Recht, an politischen Entscheidungsprozessen teilzunehmen, entweder direkt oder durch gewählte Vertretende. Die Wahrung der Menschenrechte, die Rechtsstaatlichkeit, die Gewaltenteilung, die Rechenschaftspflicht der Regierung sowie die Gewährleistung von Meinungs- und Pressefreiheit sind meine Kernprinzipien.
Was bedeutet das Wahlrecht für dich?
Das Wahlrecht ist mein zentrales Identitätsmerkmal. Durch das Wählen stellen die Staatsbürger*innen sicher, dass sie die ihnen zustehende politische Macht ausüben und damit die Gesellschaft aktiv mitgestalten können. Durch Wahlen können Bürger*innen ihre Vertretenden wählen, die ihre Interessen und Anliegen in den politischen Institutionen vertreten. Dies verleiht der Regierung ihre Legitimität, da sie das Mandat direkt vom Volk erhält. Wahlen ermöglichen es zudem den Bürger*innen, ihre Regierung zur Rechenschaft zu ziehen und politisch Führende abzuwählen, die ihre Erwartungen nicht erfüllen. Dies fördert eine verantwortungsbewusste und transparente Regierungsführung. Das Wahlrecht fördert außerdem die politische Teilnahme und Integration aller gesellschaftlichen Gruppen. Es gibt jeder Bürgerin und jedem Bürger eine Stimme und die Möglichkeit, Einfluss auf politische Entscheidungen und die Zukunft des Landes zu nehmen.
In welchem Zusammenhang steht das Wahlrecht mit Nachhaltigkeit?
Das Recht zu wählen steht in engem Zusammenhang mit mehreren Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen, da es ein wesentliches Element der demokratischen Teilhabe und der Förderung von gerechteren, inklusiven Gesellschaften darstellt. Insbesondere ist das Wahlrecht mit dem SDG 10 “ Weniger Ungleichheiten” verknüpft. Durch das Wahlrecht wird die Inklusion aller gefördert – unabhängig von Alter, Geschlecht, Behinderung, Rasse, ethnischer Zugehörigkeit, Herkunft, Religion oder wirtschaftlichem Status. Damit werden alle gesellschaftlichen Gruppen in Entscheidungsprozesse mit einbezogen. Auch für den SDG 16 “Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen” ist das Wahlrecht relevant. Durch das Wählen können leistungsfähige und transparente Institutionen auf allen Ebenen entwickelt werden. Zudem kann der öffentliche Zugang zu Informationen und der Schutz grundlegender Freiheiten, wie z.B. der Meinungsäußerung, sichergestellt werden. Das Wahlrecht fördert die politische Teilhabe und das Engagement der Bürger*innen, was dazu beiträgt, Ungleichheiten abzubauen und inklusive Institutionen zu stärken. Es ist somit ein wichtiger Hebel, um die Ziele der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung zu erreichen.
Was sind Herausforderungen in Deutschland, mit denen du dich als Demokratie aktuell konfrontiert siehst?
Da kommen mir verschiedene Punkte in den Sinn. Zum einen betrachte ich den Aufstieg populistischer und extremistischer Parteien und Bewegungen mit Sorge, da sie oft antidemokratische Ideologien verbreiten und das Vertrauen in demokratische Institutionen untergraben. Doch auch die Verbreitung von Desinformation und Fake News, insbesondere über soziale Medien, kann das Vertrauen in demokratische Prozesse schwächen. Eine weitere Herausforderung ist die sinkende Wahlbeteiligung und politische Apathie, insbesondere unter jungen Menschen und marginalisierten Gruppen. Das beeinträchtigt die Repräsentation und Legitimität des demokratischen Systems. Die Digitalisierung bringt sowohl Chancen als auch Herausforderungen mit sich. Datenschutzbedenken, der Schutz der Privatsphäre und die Sicherheit vor Cyberangriffen sind wichtige Themen, die gelöst werden müssen, um das Vertrauen in digitale demokratische Prozesse zu sichern.
Was können die Leser dieses Artikels dafür tun, dich zu unterstützen?
Wählen gehen! Dafür besteht ja gleich die erste Gelegenheit zur Europawahl am 9 Juni. Das Wahlrecht scheint allzu oft selbstverständlich – bis man plötzlich merkt, dass es bedroht ist. Diese Bedrohung kann aber anspornen, uns bewusst und erneut den Werten zu verpflichten, die uns am Herzen liegen, von Fairness und Respekt bis hin zu Solidarität.